Physik-Nobelpreis 2020

Nachdem es bereits 2017 (Nachweis von Gravitationswellen) und 2019 (Entdeckung von Exoplaneten und grundlegende Beiträge zur Kosmologie) Nobelpreise für Astrophysiker und Kosmologen gegeben hat, wurde auch der Preis 2020 für Beiträge in einem astrophysikalischen Themenbereich verliehen: der Erforschung Schwarzer Löcher.

Bild eines Schwarzen Lochs

Bild eines Schwarzen Lochs, ermittelt aus radioastronomischen Daten des Event Horizon Teleskops (Wikipedia)

Für Bonner besonders interessant: einer der Preisträger – Reinhard Genzel, derzeit Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching – hat an der Bonner Universität Physik studiert und am Max-Planck-Institut für Radioastronomie, mit dem auch die Volkssternwarte zusammenarbeitet, promoviert.

Genzel teilt sich eine Hälfte des Nobelpreises mit Andrea Ghez, einer amerikanischen Astronomin. Beide hatten fast zeitgleich mit Hilfe jahrelanger infrarot-teleskopischer Messungen zeigen können, dass sich im Zentrum unserer Galaxis ein superschweres Schwarzes Loch befindet. Dazu hatten sie die Bewegung von Sternen in direkter Umgebung des dort vermuteten Schwarzen Lochs analysiert. Infrarot-Messungen waren notwendig, da sichtbares Licht aus dem Zentrum der Milchstraße durch Staub absorbiert bzw. gestreut wird und so unserem Blick entzogen ist.

Die andere Hälfte des Nobelpreises wurde Roger Penrose – einem britischen Physiker, der u.a. mit Stephen Hawking zusammen gearbeitet hat – zugeteilt. Penrose hat sich zahlreiche Verdienste im Bereich der Kosmologie erworben. Der Nobelpreis würdigt dabei insbesondere seinen Beweis, dass Schwarze Löcher eine unabwendbare Konsequenz der Einstein’schen Allgemeinen Relativitätstheorie sind. Dies trug wesentlich dazu bei, die Suche nach Schwarzen Löchern zu intensivieren, die bis dahin nur eine hypothetisch Annahme waren.

Heutzutage wird an der Existenz Schwarzer Löcher nicht mehr gezweifelt. Ein besonderer Höhepunkt war dabei die „Fotographie“ eines Schwarzen Lochs im vergangenen Jahr, über die prominent in der Presse berichtet worden ist. Die Anführungszeichen deshalb, weil das Bild des Schwarzen Lochs aus der Auswertung von radioastronomischen Daten erzeugt wurde, die mit dem „Event Horizon“ Teleskop – einer Zusammenschaltung mehrerer Radioteleskope weltweit – ermittelt wurden.

Astrovorschau für Bonn September und Oktober 2020

Die Astrovorschau für 09/10 2020 präsentiert Ihnen unser Mitglied Paul Hombach:

Der Start in den Herbst wird vom Anblick der Planeten Jupiter und Saturn am Abend, Mars in der Nacht und Venus am Morgen begleitet. Durch die früher einsetzende Dunkelheit bleibt der Anblick des Abendhimmels sommerlich.

Der Rückgang der Tageslänge nimmt in den Monaten September Fahrt auf. Am 1. September geht die Sonne noch um 20:16 MESZ unter, am 1. Oktober bereits um 19:09 MESZ. Bis Ende Oktober taucht unser Zentralgestirn eine weitere Stunde früher unter den Horizont. Da die Uhren am 25. Oktober um eine Stunde auf die „normale“ Mitteleuropäische Zeit (MEZ) zurück gestellt werden, stehen die Zeiger bei Sonnenuntergang am 31. Oktober auf 17:08 MEZ. Auch am Morgen rückt de Dunkelheit voran: Die Sonnenaufgänge verspäten sich von 6:46 MESZ am 1. September auf 7:32 MESZ am 1. Oktober. Am 31. Oktober erscheint die Sonne um 7:22 MEZ. Hier wird ihre Verspätung durch die Zeitumstellung scheinbar ausgeglichen.

Durch die früher einsetzende Dunkelheit am Abend sieht es so aus, als würde sich der Anblick des Himmels kaum ändern. Noch dominieren die Bilder des Sommerhimmels die Szene. Mitte September, wenn das Mondlicht nicht stört, lässt abends sich das schimmernde Band der Sommermilchstraße von dunklen Orten aus beobachten, das sich vom Südhorizont aus, wo das Sternbild Schütze steht, nordwärts durch die Sternbilder Adler, Schwan und Leier zieht. Die hellsten Sterne der drei letztgenannten Sternbilder bilden das sogenannte Sommerdreieck, bestehend aus Atair, Deneb und Wega. Der Schütze wird in diesem Jahr prominent durch zwei helle Gestirne verstärkt, die dort unübersehbar nah beieinander leuchten: Die Gasplaneten Jupiter und Saturn. Mitte September steht das Planetenpaar gegen 21:30 MESZ im Süden, einen Monat später bereits um 19:30 MESZ. Am 25. September und 22. Oktober erhält das Duo Besuch vom zunehmenden Mond. Jupiter nähert sich in den kommenden Wochen seinem Nachbarn Saturn an, kurz vor Weihnachten wird es schließlich zu einer spektakulär engen Begegnung beider Planeten in der Abenddämmerung kommen.

Abb. 1: Anblick des Bonner Abendhimmels am 15.9.2020 um 21:30 MESZ, Blickrichtung Süden. Dort stehen Jupiter und Saturn, höher am Himmel das Sommerdreieck mit Deneb im Schwan, Wega  in der Leier und Atair im Adler. Grafik erstellt mit Stellarium

Im Oktober läuft Mars zur Bestform aus, der rötliche Erdnachbar steht am 6. in Erdnähe und am 14. in Opposition. Das bedeutet, dass Mars die ganze Nacht hindurch zu sehen ist. Da ihm die Erde in diesem Jahr beim Überholen auf der Innenbahn besonders nah kommt, erscheint Mars dem bloßen Auge besonders hell. Im Teleskop können Amateurastronomen auf dem Marsglobus schon mit kleineren Teleskopen einige Details entdecken. Am 6. September und 3. Oktober kommt es zu sehenswerten Begegnungen zwischen Mond und Mars.

Der Morgenhimmel hingegen ist der Venus vorbehalten. Der Morgenstern geht Mitte September um 3:09 MESZ, einen Monat später um 4:21 MESZ auf. Ein schönes Bild ergibt sich am Morgen des 14. September, wenn die abnehmende Mondsichel dem Morgenstern ihre Aufwartung macht (s. Abb. 2). Wer die Venus am frühen Morgenhimmel beobachtet, bekommt auch schon einen Vorgeschmack auf den Winterhimmel.

 Abb. 2:Blick nach Osten an den Bonner Morgenhimmel am 14.9.2020 um 5:30 MESZ. Der Mond trifft Venus im Sternbild Krebs, im Südosten sind bereits die Wintersternbilder rund um den Orion versammelt. Grafik erstellt mit Stellarium

Auch für die Fans der äußeren Planeten Uranus und Neptun bieten die kommenden Monate Beobachtungschancen. Neptun steht am 11. September im Sternbild Walfisch in Opposition, ist aber nur mit einem guten Fernglas und einer Aufsuchkarte zu erspähen. Uranus hingegen, der am 31. Oktober der Sonne gegenüber steht, ist unter besten Bedingungen im Sternbild Widder mit freiem Auge zu sehen, auch hier helfen aber Fernglas und Aufsuchkarte.

Der Mond startet als Vollmond in den September, am 2. des Monats steht er der Sonne am Himmel gegenüber. Neumond ist am 17. September. Der Oktober kann gleich mit zwei Vollmondterminen aufwarten. Am Monatsersten und -letzten zeigt sich der Erdbegleiter jeweils zu 100% beleuchtet und erhellt die Herbstnächte. Der Neumond fällt auf den 16. Oktober. Zwei Tage zuvor steht die feine abnehmende Sichel des Erdtrabanten gemeinsam mit Venus unterhalb des Bonner Wappentieres Löwe.

Viel Spaß beim Beobachten wünschen Paul Hombach und die Volkssternwarte Bonn!

Teleskop 2.0 – das Unistellar eVScope

Denken Sie einmal an ihren digitalen Fotoapparat. Hier projiziert ein Objektiv ein Bild auf den Chip der Kamera. Das empfangene Bild können Sie im elektronischen Sucher durch eine Lupe auf einem Mini-Display beobachten. Und viele Kameras können zusätzlich über ein Smartphone gesteuert werden und zeigen das aktuelle Bild ebenfalls auf ihrem Display.

Genau dieses Prinzip – wenngleich auch wesentlich ausgefeilter – macht sich das Teleskop von Unistellar, das eVScope, zunutze.

Ein Newtonteleskop mit 112mm Spiegel-Durchmesser projiziert sein Bild auf einen der lichtempfindlichsten Chips überhaupt, den Sony IMX224. Die Belichtung geht bis 4 Sekunden, allerdings werden die einzelnen Aufnahmen live gestacked, so dass das Gesamtbild immer besser wird. Dieses Bild lässt sich auch jederzeit abspeichern. Betrachtet wird es durch ein elektronisches Okular oder auf dem Smartphone / Tablet.

Das Teleskop weiß via GPS genau, wo es steht und findet sich völlig alleine am Himmel zurecht (plate solving). Die Stromversorgung – ein Akku für 9 Stunden Betriebsdauer – ist integriert, so dass keinerlei Kabel verlegt werden müssen. Aufbauen (Stativ und Teleskop), Einschalten, GPS-Synchronisation abwarten (<30 Sekunden), Felderkennen starten (< 30 Sekunden) und das erste Zielobjekt anwählen.

Die Zielobjekte werden vom eVScope in einer Qualität und in deutlichen Farben abgebildet, so wie man es auch durch viel größere Teleskope niemals erblicken kann.

Weitere Informationen und in lockerer Folge neue Aufnahmen und Berichte finden sich hier :

Das eVScope

Eines meiner ersten Objekte war der Hantelnebel M27:

Rund anderthalb Stunden vor Ende der (astronomischen) Dämmerung konnte ich bereits die Strudelgalaxie M51 bestaunen:

Komet C/2020 F3 Neowise

Neues von der Kometen-Beobachtung:

Unser Mitglied Peter Oden hat den klaren Himmel gestern Nacht ausgenutzt, um den Kometen C/2020 F3 Neowise fotographisch festzuhalten.

Komet C/2020 F3

Der Komet C/2020 F3 Neowise über den Dächern von Bonn (Bild: P. Oden)

Der Komet C/Der Komet C/2020 F3 Neowise

Vergößertes Bild des Kometen C/2020 F3 Neowise (Bild: P. Oden)

Es handelt sich um einen Kometen, der am 27. März 2020 erstmals durch das Neowise-Teleskop beobachtet wurde. Neowise ist der neue Name des Wide-field Infrared Survey Explorers (WISE) der NASA: ein Satellit mit einem Infrarot-Telekop, der Ende 2009 in’s All geschossen wurde. Die Namensänderung trägt der Tatsache Rechnung, dass sich die Mission des Satelliten seit 2013 geändert hat und nun die Detektion von erdnahen Objekten – insbesondere Kometen und Asteroiden – im Vordergrund steht.

 

Der Komet C/2020 F3 ist zurzeit mit bloßem Auge am Himmel zu sehen. Er ist seit Hale-Bobb der leuchtstärkste Komet und zeigt einen Bilderbuch-Schweif, was für Kometen nicht selbstverständlich ist. Am 23. Juli wird er seinen ernächsten Punkt erreichen (0,69 Astronomische Einheiten von der Erde entfernt). Er bewegt sich auf einer extrem langgestreckten, elliptischen Bahn um die Sonne. Seine nächste Annäherung an die Sonne wird laut Wikipedia um das Jahr 8850 erwartet (also jetzt oder niemals versuchen, ihn zu Gesicht zu bekommen!).

Nachtrag vom 21.07.2020

In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli ist Peter Oden ein kleines Stück aus Bonn Richtung Bergisches Land herausgefahren, um unter dem spürbar dunkleren Himmel noch einmal den Kometen zu beobachten und zu fotografieren, ehe er auf seiner Reise von der Erde weg immer dunkler wird.

Er war mit bloßem Auge noch zu erkennen, bot im Fernglas einen fantastischen Anblick und auf den Aufnahmen ist sogar der blaue Ionenschweif abgebildet.

 

Infrarotspektroskopie: Wärmebilder in der Astronomie

Der Mensch kann Infrarotlicht nicht sehen – im Gegensatz zu einigen Schlangenarten und zum Smaragdprachtbarsch, wie Biologen der Universität Bonn 2013 herausgefunden haben. Trotzdem können Menschen Infrarotlicht wahrnehmen, nämlich als Wärmestrahlung. „Rotlichtlampen“ strahlen nicht nur rotes, sondern jede Menge infrarotes Licht aus, das von der Haut gut absorbiert werden kann. Dabei wird die Energie des Infrarotlichts in Wärmeenergie umgewandelt. Die entsprechende Temperaturerhöhung kann die Thermorezeptoren der Haut aktivieren und die Muskeln wieder lockerer machen. Auch Wärmebildkameras, die zur nächtlichen Tierbeobachtung oder zur Suche nach Wärmebrücken in der Hausisolierung eingesetzt werden, registrieren Infrarotstrahlung.

In Astronomie und Astrophysik spielt die Infrarotspektroskopie – also die Intensitätsmessung der Infrarotstrahlung in Abhängigkeit von ihrer Wellenlänge – eine bedeutende Rolle (Wellenlänge: ca. 0,7 bis zu 300 µm und damit zwischen rotem sichtbaren Licht und sog. Mikrowellenstrahlung). Beispiele für astronomische Anwendungen sind:

  • Aufgrund der – gegenüber sichtbarem Licht – geringeren Abschwächung von Infrarotlicht durch interstellaren Staub können Objekte wie junge Sterne, galaktische Zentren und die Kerne von Infrarotgalaxien auch hinter Staubwolken beobachtet werden.
  • Während zur Aussendung von sichtbarem Licht Temperaturen von einigen tausend Grad nötig sind, wird Infrarotlicht auch bei niedrigeren Temperaturen generiert, sodass relativ kalte Materie beobachtet werden kann. Beispiele sind Asteroiden, Kometen, Planeten und Monde im Sonnensystem, die sonst nur im schwachen Rücklicht der Sonne sichtbar sind.
  • Eine genaue Analyse des Infrarotspektrums gibt Aufschluss über die molekulare Zusammensetzung, den Aggregatzustand und die Temperatur astronomischer Objekte (interstellares Medium, stellare Staubscheiben etc.).
  • Die Rotverschiebung sehr weit entfernter Objekte kann aufgrund des Hubble-Effekts so groß sein, dass sichtbares Licht bis in den Infrarotbereich verschoben ist. Die Infrarotspektroskopie macht in diesen Fällen eine Analyse des Sternenlichts, das eigentlich im sichtbaren Wellenlängenbereich ausgestrahlt wird, erst möglich.

 

Wie entsteht Infrarotstrahlung?

Infrarotstrahlung kann auf zwei unterschiedliche Weisen entstehen, wobei kontinuierliche oder Linienspektren erzeugt werden.

Um kontinuierliche Infrarotspektren zu verstehen, muss man die Maxwell’sche Theorie des Elektromagnetismus und die – ebenfalls mit Maxwell verbundene – kinetische Gastheorie berücksichtigen.

  • Elektrische Ladungen erzeugen beim Beschleunigen bzw. Abbremsen elektromagnetische Strahlung, wobei die Frequenz – und damit die Energie – der Strahlung umso größer ist, je „heftiger“ die Beschleunigung oder Abbremsung ist.
  • Die kinetische Gastheorie besagt, dass die kleinsten Bestandteile der Materie (Atome, Moleküle, Ionen etc.) in ständiger Bewegung sind: In Gasen flitzen die atomaren Bestandteile mit hoher Geschwindigkeit durcheinander und stoßen immer wieder zusammen, in Festkörpern führen sie Schwingungsbewegungen um ihre Ruhelage aus, in Flüssigkeiten tauschen sie immer wieder ihre Plätze etc. Die Bewegungen der atomaren Bestandteile sind umso „heftiger“ , je höher die Temperatur ist.

Bei Stößen, Schwingungen etc. ändern die Elektronen und Atomkerne immer wieder sowohl ihre Lage zueinander als auch ihre Geschwindigkeit; sie werden also beschleunigt und strahlen somit elektromagnetische Strahlung (Licht) aus.

Stoß zweier Atome

Veranschaulichung des Stoßes zweier Atome: Atomkerne und Elektronen werden beim Stoß der Atome beschleunigt bzw. abgebremst (Änderung des Geschwindigkeitsbetrags und -richtung)

Da die individuellen Geschwindigkeitsänderungen sehr unterschiedlich sein können, besitzt die entstehende Strahlung eine breite Energieverteilung und es resultiert ein kontinuierliches Spektrum (Planck’sches Strahlungsspektrum). Aus der Gestalt des Spektrums – insbesondere aus der Wellenlänge maximaler Intensität – kann auf die Temperatur der Materie zurück geschlossen werden.

Planck'sches Strahlungsspektrum

Spektrum der Wärmestrahlung: das Maximum der Strahlungsintensität liegt bei umso höheren Wellenlängen je niedriger die Temperatur ist (Temperatur in K an den Kurven angeschrieben; rot: Raumtemperatur, gelb: Temperatur der Sonnenoberfläche) (Quelle: Wikipedia)

Die Entstehung von Linienspektren kann nur mit den Gesetzen der Quantentheorie verstanden werden. Die Atome eines Moleküls führen Schwingungen gegeneinander aus. Dabei wird die Länge von Atombindungen oder der Winkel zwischen zwei Bindungen periodisch verändert. Je größer die Schwingungsamplitude (die Auslenkung der Atome aus ihrer Gleichgewichtslage) desto größer die Energie der Schwingung. Nach den Maxwell’schen Gesetzen müsste auch hier elektromagnetische Strahlung ausgesendet werden, da die Atome innerhalb einer Schwingung beschleunigt und abgebremst werden.

Schwingungsformen von Wasser

Beispiel von zwei Schwingungsformen (Streck- und Beugeschwingung) von Wasser (H2O; rot: Sauerstoff, blau: Wasserstoff). Je größer die Auslenkung der Atome (Schwingungsamplitude) desto größer die Schwingungsenergie.

In einem isolierten Molekül jedoch herrschen die Gesetze der Quantenmechanik. Diese besagen, dass es bestimmte Schwingungsamplituden gibt, bei denen keine Energie abgestrahlt wird. Energie kann aber beim Übergang von einer größeren in eine kleinere „erlaubte“ Schwingungsamplitude als Infrarotlicht abgegeben werden, wobei die Energie der Strahlung der Energiedifferenz zwischen den Schwingungsamplituden entspricht. In diesem Fall wird nur Infrarotlicht mit bestimmten Wellenlängen ausgesendet, sodass Linienspektren entstehen. Umgekehrt kann Infrarotstrahlung von Molekülen absorbiert werden, wenn sie der Energiedifferenz zweier erlaubter Schwingungsamplituden entspricht.

Absorption/Emission von Infrarotlicht

Erhöhung bzw. Erniedrigung der Schwingungsamplitude eines Wassermoleküls (H2O) durch Absorption bzw. Emission von Infrarotlicht [rot: Sauerstoffatom, blau: Wasserstoffatome]

Da die Schwingungsenergie von der Bindungsstärke und der Masse der beteiligten Atome abhängt, kann über die Lage der Infrarotlinien die chemische Zusammensetzung der Materie ermittelt werden. Eine Analyse der Linienbreite erlaubt darüber hinaus eine Abschätzung von Druck und Temperatur.

IR-Spektrum von Ethnaol und Aceton

Infrarotspektren von Ethanol und Aceton im Vergleich: Beispiel für die Identifikation verschiedener Stoffe anhand des Infrarotspektrums (Quelle der Spektren: NIST Webbook)

Man bekommt also über eine genaue Analyse der Infrarotspektren eine Menge Informationen über die physikalischen und chemischen Verhältnisse in ihrem Entstehungsgebiet.

Wie wird Infrarotstrahlung astronomischer Objekte gemessen?

Ähnlich wie bei der Röntgenastronomie schwächt die Erdatmosphäre Infrarotlicht in weiten Wellenlängenbereichen ab. Dies ist zu großen Teilen auf den Wassergehalt der Lufthülle zurückzuführen.

IR-Absorption von Wasserdampf

Wellenlängenabhängigkeit der Durchlässigkeit („Transmission“) der Atmosphäre für IR-Strahlung in verschiedenen Höhen über dem Erdboden: Transmission 1: vollständige Durchlässigkeit; Transmission 0: vollständiges Abblocken der Strahlung (Quelle: https://www.dsi.uni-stuttgart.de)

Deshalb muss auf Labore in Flugzeugen bzw. Ballons oder auf Satelliten zurückgegriffen werden. Die Teleskope zur Bildgewinnung bedienen sich spezieller Linsen- bzw. Spiegelmaterialien, die für Infrarotlicht geeignet sind. Als Detektoren werden CCDs (Charge-Coupled Devices, ähnlich denen in digitalen Kameras) oder Fotodioden eingesetzt, wobei spezielle Detektor-Materialien benutzt werden, die im infraroten Wellenlängenbereich hohe Empfindlichkeiten besitzen. Infrarot-Detektoren müssen stark abgekühlt werden (unter -200°C), um nicht durch ihre eigene Wärmestrahlung gestört zu werden.

Missionen zur Beobachtung von astronomischen Infrarotquellen

In den letzten Jahrzehnten hat es eine Reihe von Projekten gegeben, mit denen Infrarotquellen im Universum erforscht worden sind. An dieser Stelle sollen nur die noch laufenden Missionen kurz angesprochen werden.

SOFIA (Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie)

SOFIA: fliegendes Infrarotteleskop

Jumbo-Jet des SOFIA-Projekts mit Infrarotteleskop in geöffneter Beobachtungsklappe.

Es handelt sich um einen Jumbo-Jet, der zu einem fliegenden Infrarot-Observatorium umgebaut wurde und der in ca. 13 km Höhe seine Messungen durchführt. In dieser Höhe ist die Absorption der Infrarotstrahlung durch den Wasserdampf der Atmosphäre so weit reduziert, dass eine Infrarotbeobachtung astronomischer Objekte mit guter Qualität möglich ist.

Ziele:

  • Physik der interstellaren Wolken und Sternentstehung in unserer Milchstraße
  • Protoplanetare Scheiben und Planeten-Entstehung in nahen Sternsystemen
  • Ursprung und Entwicklung von biogenetischen Atomen, Molekülen und Mineralien
  • Zusammensetzung und Struktur von Planetenatmosphären und -ringen
  • Kometen
  • Sternentstehung, Dynamik und chemische Bestandteile in anderen Galaxien; Suche nach schwarzen Löchern
  • Dynamische Aktivität im Zentrum der Milchstraße

Ausrüstung:

  • 2,7 m Spiegelteleskop (Spiegelmaterial: Zerodur, ein keramisches Lithium-Aluminiumsilikat)
  • Detektor GREAT (German Receiver at Terahertz Frequencies); Wellenlängenbereich: 60 – 240 µm (entwickelt vom MPI für Radioastronomie in Bonn)
  • FIFI-LS (Far Infrared Field Imaging Line Spectrometer): abbildendes Linienspektrometer; Wellenlängenbereich: 40 – 210 µm;
  • FORCAST-Kamera im Wellenlängenbereich von 5-8, 17-25 und/oder 25-40 µm HAWC-Kamera: Wellenlängenbereich von 40 – 300 µm; hohe Winkelauflösung
  • FLITECAM-Kamera: Wellenlängenbereich von 1 – 5,5 µm; moderate spektroskopische Auflösung
  • HIPO: Instrument zur simultanen, hoch zeitaufgelösten Bildgebung bei zwei Wellenlängen im sichtbaren Wellenlängenbereich; kann zeitgleich mit FLITECAM-Kamera eingesetzt werden, um Bilder bei zwei Wellenlängen im sichtbaren und einer Wellenlänge im infraroten Bereich aufnehmen zu können

Missionsseiten:

https://www.nasa.gov/mission_pages/SOFIA/index.html
https://www.dlr.de/content/en/articles/missions-projects/sofia/sofia-infrared-observatory.html
https://www.dsi.uni-stuttgart.de/oeffentlichkeit/infrarotastronomie/

Wide-Field Infrared Survey Explorer (WISE)

WISE Infrarotsatellit

Illustration des WISE Satelliten (Wide-Field Infrared Survey Explorer)

Weltraumteleskop zur sensitiven Durchmusterung des gesamten Himmels bei vier Wellenlängen im mittleren Infrarot (3,3 – 4,7 – 12 – 23 µm)

Ziele:

  • Durchmusterung des Sonnensystems nach Asteroiden, Kometen und anderen Objekten
  • Kühle und schwache Sterne, darunter die sonnennächsten Sterne und Braunen Zwerge
  • Junge Sterne in der Milchstraße und Staubscheiben um bereits weiter entwickelte Sterne
  • Die leuchtkräftigsten Galaxien und Infrarotgalaxien.

Missionsseite:

https://www.nasa.gov/mission_pages/WISE/main/index.html

Spitzer-Weltraumteleskop

Illustration des Spitzer Infrarotsatelliten

Illustration des Spitzer Weltraumteleskops

2003 gestartetes Infrarot-Teleskop, das aufgrund von Kühlmittelmangel Anfang 2020 abgeschaltet wurde.

Ziele:

  • Chemische Zusammensetzung protoplanetarer Scheiben
  • Entstehung von Planetensystemen
  • Braune Zwerge
  • Infrarotgalaxien
  • Aktive galaktische Kerne
  • Vorgänge im frühen Universum

Ausrüstung:

  • IRAC (Infrared Array Camera): vier Infrarotkameras, die simultan vier Kanäle mit den Wellenlängen 3,6 µm, 4,5 µm, 5,8 µm und 8 µm aufnehmen konnten
  • IRS (Infrared Spectrograph): Infrarotspektrometer für Wellenlängenbereich 5,3 bis 40 µm
  • MIPS (Multiband Imaging Photometer for Spitzer): drei Detektorfelder im fernen Infrarotbereich, die neben Bildern auch spektroskopische Daten liefern konnten

Missionsseite:

http://www.spitzer.caltech.edu/

Weitere Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Infrarotastronomie (Wikipedia-Eintrag über Infrarotspektroskopie)

Sterne & Wein

Liebe Sternfreunde,

die corona-bedingten ungewöhnlichen Zeiten erfordern ungewöhnliche Ideen. Das beliebte Format ‚Sterne und Wein‘ findet nunmehr zum dritten Mal statt und wird wieder von unserem Volkssternwarten-Mitglied Paul Hombach (zusammen mit Peter Wollmann) durchgeführt.

Weitere Details finden Sie in der folgenden Übersicht:

Supernova SN 2020 fqv im Mai

In einem früheren Beitrag auf der Seite der Volkssternwarte Bonn hatte Peter Oden eine Fotografie der Supernova SN2020fqv vom 30. April veröffentlicht.

Inzwischen hat auch unser Mitglied Frank Bonn sich der Supernova angenommen und ein aktualisiertes Foto geschickt.

Supernova NGC_4568 im Mai 2020

Supernova SN 2020fqv am 10. Mai 2020 (Aufnahme: Frank Bonn)

Die Aufnahme entstand am 10. Mai. Die Supernova ist nach wie vor als kleiner Lichtpunkt im unteren Teil der Doppelgalaxie zu erkennen (wer mag, vergleiche die Aufnahme mit der von Peter Oden, in der die Supernova genauer gekennzeichnet ist).

Aufnahmedaten:

  • Celestron C8 auf einer Ioptron CEM 60
  • Nachführung mit 70/700 Leitrohr und PHD2
  • 20 x 240 sec + Darks, Flats und Bias
  • Erste schnelle Bearbeitung mit Deepsky Stacker, Fitswork und Photoshop

 

Komet C/2017 T2

Am 11. Mai hat unser Mitglied Peter Oden den Kometen C/2017 T2 in einer Fotographie festgehalten.

Komet C/2017 T2

Komet C/2017 T2 aufgenommen am 11. Mai 2020 (Aufnahme: Peter Oden); 40 Aufnahmen à 10 Sekunden bei ISO 3.200 mit 300mm und f/4 zusammengefasst mit Foto Stacking

Dieser ungewöhnliche Komet wurde erstmals 2013 gesichtet. Er stammt vermutlich aus der Oort’schen Wolke, einem Bereich am Rande des Sonnensystems weit außerhalb der Plutobahn, in dem es eine Vielzahl von Kometen gibt. Er ist – unter den bisher entdeckten – der am weitesten von der Sonne entfernte Komet, der einen aktiven Kern enthält.

Der Komet bewegt sich auf einer hyperbelförmigen Bahn mit hoher Bahnneigung auf die Sonne zu, der er Ende 2022 bis auf ca. 2 Astronomische Einheiten (AE) – also der doppelten Entfernung der Erde von der Sonne – nahe kommen wird.

Der ca. 18 km durchmessende Kometenkern liegt im Inneren einer Koma, die vermutlich aus leicht flüchtigen Gasen (z.B. Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid oder Kohlenmonoxid) besteht.

Quellen:

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/C/2017_K2_(PANSTARRS)

Infoseite der NASA: https://www.nasa.gov/feature/goddard/2017/hubble-observes-the-farthest-active-inbound-comet-yet-seen

 

Venusbedeckung durch den Mond am 19.06.2020

Am 19. Juni wird der Mond vormittags für rund 1 Stunde unseren Nachbarplaneten Venus bedecken. Zu Beginn steht der Mond bereits 48° Grad hoch:

Die Venussichel wird die im Südosten stehende Mondsichel um ca. 09:49 Uhr „berühren“. Danach beginnt die etwa 1-stündige Bedeckung.

Der Austritt ist um 10:47 Uhr beendet. Der Mond steht dann bereits 54 Grad hoch. Die dünne Mondsichel am Taghimmel zu finden und einzustellen, dürfte dabei das größere Problem sein (und natürlich das Wetter!).

Grundsätzlich sollte man bei der Beobachtung mit dem Teleskop große Vorsicht walten lassen, denn die Sonne steht nur rund 30° weiter links !!!

Röntgenstrahlung: den Extremen des Universums auf der Spur

Röntgenstrahlung kennt fast jeder, der schon mal beim Arzt mit einem Röntgengerät durchleuchtet wurde. Benannt sind diese Strahlen nach Wilhelm Conrad Röntgen, der sie 1895 in Würzburg zufällig entdeckte, als er Elektronen mit hoher Geschwindigkeit auf eine Metallplatte prallen ließ.

Röntgenstrahlen entstehen aber nicht nur in medizinischen Geräten. Es gibt auch im Weltall Quellen für diese hochenergetische Strahlung, mit deren Hilfe viele grundlegende Probleme der Astronomie und Kosmologie untersucht werden können:

  • In der Nähe von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen werden Gase aufgrund der enormen Gravitationskräfte so hoch beschleunigt, dass Röntgenstrahlung durch hochenergetische Stöße in Akkretionsscheiben (Akkretion: Aufsammeln von Materie durch astronomische Objekte) erzeugt wird – oft in Doppelsternsystemen oder in den Zentren aktiver Galaxien.
  • Die geheimnisvollen Gamma Ray Bursts (GRBs), blitzartige Gammastrahl-Ausbrüche in meist sehr weit entfernten Galaxien, werden mit Hilfe der Röntgenstrahlung in ihrem Nachglühen erforscht.
  • Supernovae leuchten nicht nur im sichtbaren Licht, sondern auch im Röntgenbereich; zudem setzt die von einer Supernova ausgeschleuderte Materie Röntgenstrahlung über längere Zeit frei und bietet Chancen, die Entwicklung der Supernova-Überreste zu verfolgen.
  • Im Intergalaktischen Raum befinden sich sehr heiße Gasmassen, die Röntgenstrahlung emittieren und so eine Untersuchung der großräumigen Strukturen des Universums und der Verteilung von Dunkler Materie erlauben.
  • Sterne – auch unsere Sonne – geben Röntgenstrahlung in ihrer heißen Korona ab und ermöglichen so, ein genaueres Bild ihrer Eigenschaften – insbesondere ihres Magnetfeldes – zu erhalten.
  • Die Röntgenstrahlung der Akkretionsscheiben junger Sterne liefert Informationen, die aus anderen Teilen des Lichtspektrums wegen hoher Absorption nicht zu erhalten sind.

 

Was sind Röntgenstrahlen und wie entstehen sie?

Röntgenstrahlen sind ein Teil des elektromagnetischen Spektrums, das von niederenergetischen Radiowellen über sichtbares Licht bis hin zur hochenergetischen Gammastrahlung reicht. Röntgenstrahlen reihen sich mit ihrer Energie zwischen ultraviolettem Licht und Gammastrahlen ein.

Elektromagnetisches Spektrum

Elektromagnetisches Spektrum (Quelle: Heinrich Heine Universität)

Dabei reicht ihre Energie von ca. 1 keV bis 1000 keV (Kiloelektronenvolt, eine Energieeinheit im atomaren Bereich) und man unterscheidet weiche, mittlere und harte Röntgenstrahlung. Rechnet man die Energie von Röntgenstrahlen gemäß der kinetischen Gastheorie in Temperatur um, so landet man bei Temperaturen im Bereich von mehreren hundert Millionen Grad!

Dem entsprechend können Röntgenstrahlen nur mit Hilfe von hochenergetischen Prozessen entstehen. Die Elektronen von Wilhelm Röntgen zum Beispiel hatten eine kinetische Energie von 20 keV, was ca. 15% der Lichtgeschwindigkeit entspricht! Die auf das Metall aufprallenden Elektronen werden dabei sehr schnell abgebremst. Die Abbremsung ist so stark, dass laut den allgemein gültigen Maxwell’schen Gesetzen Röntgenstrahlung abgestrahlt wird. Da die Abbremsung nicht für jedes Elektron gleich stark ist, hat das entstehende Röntgenlicht eine breite (kontinuierliche) Energieverteilung und das Spektrum hat eine „Hügelform“. Röntgenstrahlung mit einem solchen Spektrum heißt aus offensichtlichem Grund Bremsstrahlung.

Zu unterscheiden davon sind ebenfalls kontinuierliche Röntgenspektren, die in Gasen mit Temperaturen von mehreren (hundert) Millionen Grad entstehen. In diesem Fall bestimmt die durch die hohe thermische Energie erzeugte sog. Schwarzkörperstrahlung die „Hügelform“ des Spektrums. Aus der Form des Spektrums kann man die Temperatur der Röntgen-aktiven Materie abschätzen.

Beim Aufprall von schnellen Elektronen auf Materie wird aber nicht nur Bremsstrahlung emittiert. Es werden außerdem Sekundär-Elektronen aus den inneren Hüllen der Atome herausgeschlagen. Die entstehenden Lücken werden durch Elektronen aus den Außenbereichen der Atomhülle wieder aufgefüllt. Dabei wird Energie in Form von Röntgenstrahlung frei; denn die äußeren Elektronen haben aufgrund der Coulomb-Anziehung zwischen negativ geladenen Elektronen und positiv geladenen Atomkernen eine deutlich höhere potentielle Energie als die inneren. Es entstehen sog. Linienspektren: statt eines „Hügels“ gibt es eine Reihe von „Fahnenstangen“ im Spektrum. Denn die Energiedifferenzen verschiedener Elektronen in den Atomen können nur bestimmte Werte annehmen. Diese sind charakteristisch für das jeweilige chemische Element, aus dessen Atomen die Elektronen herausgeschlagen wurden. Mit Hilfe der Röntgenlinien ist also eine Identifikation chemischer Elemente möglich.

Mechanismus der Röntgenemission

Entstehung von Linienspektren; A: Herausschlagen eines inneren Elektrons; B: Aussendung eines Röntgenphotons beim Auffüllen der Lücke (Erläuterungen siehe Text)

Linienspektren entstehen aber nicht nur, wenn schnelle Elektronen auf Metallatome treffen. Immer wenn es zu hochenergetischen Stößen von Atomen oder Ionen untereinander oder mit Elementarteilchen oder Photonen kommt, können die beschriebenen Elektronenübergänge ausgelöst werden. Häufig überlagern sich bei diesen Vorgängen Bremsstrahlungs- und Linienspektren: auf dem Bremsstrahlungshügel sitzen die schlanken Emissionslinien der chemischen Elemente.

Röntgenspektrum

Beispiel eines Röntgenspektrums mit Anteilen der kontinuierlichen Bremsstrahlung und mit Röntgenlinien verschiedener Atomsorten (Quelle; Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Charakteristische_R%C3%B6ntgenstrahlung#/media/Datei:Tube_Cu_LiF.PNG)

Alles in Allem ist die Suche nach astronomischen Quellen für Röntgenstrahlung also gleichbedeutend mit der Suche nach hochenergetischen Prozessen im Universum.

Für die Beobachtung von astronomischen Röntgenquellen mit erdgebundenen Röntgen-Teleskopen gibt es allerdings ein Problem: Röntgenstrahlen können unsere Lufthülle nicht durchdringen, da sie fast vollständig absorbiert werden und die Erdoberfläche nicht erreichen. Das mag erst mal merkwürdig klingen, da Röntgenstrahlen den menschlichen Körper leicht durchdringen können und Luft bekanntermaßen eine viel geringere Dichte aufweist. Für die Absorption ist aber nicht die Dichte, sondern die Anzahl der Atome, die der Strahlung im Weg stehen, von Bedeutung. Und die ist in der Atmosphäre aufgrund ihrer Dicke viel größer als beim Durchleuchten des menschlichen Körpers.

Für die Astronomie bleibt also nur der Gang in den Weltraum und damit zur Nutzung von Röntgensatelliten.

Röntgensatelliten

Röntgensatelliten benötigen ein abbildendes System zur Bilderzeugung (das eigentliche Teleskop), ein Röntgenspektrometer zur Messung der Energieverteilung und Detektoren für die Röntgenstrahlung. Als Teleskop wird allgemein ein sogenanntes Wolterteleskop verwendet, das aus ineinander gesteckten parabolischen und hyperbolischen Röhren mit einer Gold oder Iridiumbeschichtung besteht. Gold und Iridium haben für Röntgenstrahlen einen Brechungsindex kleiner als eins. Damit wird bei streifendem Lichteinfall Totalreflexion möglich, was Wolterteleskope ausnutzen, um die einfallenden Röntgenstrahlen zu fokussieren. Linsen oder Spiegel wie bei Teleskopen für sichtbares Licht können nicht verwendet werden, da ihre Brechkraft für Röntgenstrahlen zu gering ist bzw. Röntgenstrahlen von den verfügbaren Linsen- und Spiegelmaterialien absorbiert werden.

Prinzip des Wolterteleskops

Funktionsprinzip eines Wolterteleskops mit ineinander geschachtelten paraboloisch und hyperbolisch geformten Röhren (Quelle: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Wolter-Teleskop#/media/Datei:Wolter-telescope.png)

Als Detektoren kommen CCD-Kameras zum Einsatz. Für die Auftrennung von Röntgenstrahlen unterschiedlicher Energie werden spezielle Gitterspektrometer verwendet.

Röntgensatelliten werden seit den 1960er Jahren in den Weltraum geschossen. Die meisten sind inzwischen außer Betrieb gesetzt. Einer der bekanntesten Satelliten war ROSAT der ESA (European Space Agency), der 2011 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre planmäßig verglüht ist. Im Folgenden sollen aus Platzgründen nur die wichtigsten aktiven Satelliten kurz besprochen werden.

CHANDRA:

CHANDRA Röntgensatellit

Illustration des Röntgensatelliten CHANDRA (Quelle: NASA)

Der 4,8 t schwere und 13,8 m lange Röntgensatellit der NASA, der 1999 gestartet wurde, läuft auf einer stark elliptischen Bahn um die Erde. Seine Erdentfernung zur Erde beträgt 16.000 bis 139.000 km und seine Umlaufzeit ca. 64 Std.
Ziele:
Generelle Untersuchung von Hochenergieprozessen in der Nähe von Quasaren, Schwarzen Löchern, Neutronensternen, Supernovae etc.
Besonderheit:
sehr hoch aufgelöste Röntgenbilder.
Teleskope:
vierfach verschachteltes Wolter-Teleskop mit Iridiumbeschichtung; 2,7 m lang; Abweichung von Parallelität der Teleskopröhren: 1,3 µm (das entspricht einer Abweichung von 1 mm bei einer Rohrlänge von ca. 200 m). Winkelauflösung: 0,5 Bogensekunden (entspricht der Größe einer Centmünze in ca. 5km Entfernung!).
Instrumente:
ACIS (Advanced CCD Imaging Spectrometer): abbildendes CCD-basiertes Röntgenspektrometer im Energiebereich von 0,2 bis 10 keV (6 – 0,12 nm Wellenlänge), dem wahlweise ein Transmissionsgitter für den Bereich 0,09 – 3 keV (LETGS: Low Energy Transmission Gratings Spectrometer; Auflösung: 0,005 nm) oder 0,4 – 10 keV (HETGS: High Energy Transmission Gratings Spectrometer; Auflösung: 0,001 – 0,002 nm) vorgeschaltet werden kann.
Missionsseite der NASA:
https://www.nasa.gov/mission_pages/chandra/main/index.html

XMM Newton:

Röntgensatellit XMM Newton

Illustration des Röntgensatelliten XMM Newton (Quelle: ESA)

Der 3,8 t schwere und 10 m lange Röntgensatellit der ESA, der 1999 gestartet wurde, läuft auf einer stark elliptischen Bahn um die Erde. Seine Entfernung zur Erde beträgt 7.000 bis 114.000 km und seine Umlaufzeit ca. 48 Std.
Ziele:
(i) Untersuchung energiereicher Prozesse im frühen Universum
(ii) Prozesse in der Umgebung von Schwarzen Löchern und Neutronensternen
(iii) Details der Sternbildung in Regionen mit hohen Stern-Geburtenraten
(iv) Erforschung von Galaxien-Clustern
Besonderheit:
Messungen aller Instrumente geschehen gleichzeitig.
Teleskope:
Drei zusammen geschaltete Wolter-Teleskope mit jeweils 58 koaxialen Reflektoren, die eine hohe Lichtempfindlichkeit besitzen (Maximum bei 7 keV), aber eine relativ geringe Winkelauflösung von 5 Bogensekunden.
Instrumente:
(i) Je Wolter-Teleskop eine spezielle CCD-Kamera (EPIC: European Photon Imaging Camera); Detektionsbereich: 0,1 – 15 keV; hohe zeitliche Auflösung (jedes Einzelphoton wird registriert); die Energieauflösung beträgt 1/20 bis 1/50 der Photonenenergie
(ii) Reflection Grating Spectrometer (RGS): Energieauflösung 1/100 bis 1/800 der Photonenenergie im Bereich von 0,35 und 2,5 keV. Bei 2 Wolter-Teleskopen wird ein Teil der Röntgenstrahlung auf diese Spektrometer geleitet, um Einzelheiten der Energieverteilung genauer messen zu können
(iii) Optical Monitor: 30 cm Spiegelteleskop für gleichzeitige UV/VIS-Beobachtung des Röntgen-Detektionsgebiets
Missionsseite der ESA:
https://www.cosmos.esa.int/web/xmm-newton

NuSTAR (Nuclear Spectroscopic Telescope Array):

Röntgensatellit NuSTAR

Illustration des Röntgensatelliten NuSTAR (Quelle: NASA)

360 kg schwerer Röntgensatellit der NASA, der 2012 gestartet wurde. Er zieht auf einer fast kreisförmigen Bahn in ca. 600 km Höhe um die Erde (Umlaufzeit ca. 1,5 Std.).
Ziele:
(i) Erforschung und Charakterisierung von Röntgenquellen im hohen Energiebereich bis zu 80 kEV
(ii) Beispiele für Objekte, die mit NuSTAR beobachtet werden sollen: Schwarze Löcher, Supernovae, Relativistische Jets, die Milchstraße, Korona der Sonne
Besonderheit:
Spektroskopie und Bilderfassung bis zu 80 keV Röntgenstrahlung (Detektormaterial: CdZnTe) mit Winkelauflösung unter 1 Bogenminute.
Teleskope:
Zwei gleich ausgerichtete Wolter-Teleskope mit großer Brennweite (Montiert an einem 26 m langen Ausleger).
Missionsseite der NASA:
https://www.nasa.gov/mission_pages/nustar/main/index.html

eROSITA:

Röntgenteleskop eROSITA

Foto des Röntgenteleskops eROSITA (Quelle: MPI f. Extraterristrische Physik)

Röntgenteleskop des MPI für Extraterristrische Physik an Bord von Spektr-RG, einem deutsch-russischen Satelliten zur Durchmusterung des Himmels nach Röntgenquellen, das 2019 gestartet wurde.
Ziele:
(i) Kartierung des heißen intergalaktischen Gases in 50 – 100 Galaxien-Clustern
(ii) systematische Suche nach Akkretionsscheiben Schwarzer Löcher in nahen Galaxien und Detektion aktiver Galaxienzentren (supermassive Schwarze Löcher) in ca. 3 Mio Galaxien
(iii) Durchmusterung und Kategorisierung von Röntgenquellen in der Milchstraße
Teleskope:
Sieben identische Wolter-Teleskope mit je 54 ineinander geschachtelten Spiegeln (Goldbeschichtung). Energiebereich: 0,3 – 10 keV; Energieauflösung 168 eV bei 6keV; mittlere räumliche Auflösung, da das Hauptziel die Ermittlung der großräumigen Struktur des Universums und die Testung kosmologischer Modelle (Dunkle Materie, Dunkle Energie) ist.
Informationsseite des Max Planck Instituts für Extraterristrische Physik:
https://www.mpe.mpg.de/eROSITA

Wie auch bei anderen Satellitentypen kann man nur bewundern, welche Möglichkeiten heutige Röntgensatelliten für die Astronomie bieten.

Und vielleicht denkt man ja beim nächsten Arztbesuch daran, dass sich mit Röntgenstrahlen nicht nur Geheimnisse unseres Körpers, sondern auch die des Universums entschleiern lassen…

Weitere Quellen:

BR Alpha Centauri: Woher kommt die Röntgenstrahlung im All?
Wikipedia-Artikel zu Entstehung und Eigenschaften von Röntgenstrahlung
Röntgenstrahlung bei LEIFI Physik
Röntgenstrahlung bei lernhelfer.de