Das Max-Planck-Institut (MPI) für Radioastronomie in Bonn hat über die Ergebnisse einer genauen Vermessung eines exotischen Sternsystems namens PSR J0737-3039 A/B in ca. 2400 Lichtjahren Entfernung von der Erde berichtet (https://www.mpg.de/18012904/test-fuer-einsteins-gravitationstheorie).
In einer weltweiten Kooperation unter Leitung von Prof. Michael Krämer, den wir in der VSW bereits als Referenten im Rahmen der Montagsvorträge begrüßen durften, hat man in den vergangenen 16 Jahren mit verschiedenen Radioteleskopen – u.a. mit dem 100m-Radioteleskop bei Effelsberg in der Eifel – ein Doppelsternsystem untersucht, das aus zwei sich eng umkreisenden Pulsaren besteht. Pulsare sind Neutronensterne, die in extrem regelmäßigen Abständen Radio-Impulse in Richtung Erde senden (als man solche Pulse erstmals 1967 entdeckte, war man aufgrund der Regelmäßigkeit versucht, außerirdische Intelligenzen als Urheber in Betracht zu ziehen…).
Die Pulse kommen dadurch zustande, dass manche Neutronensterne ein sehr starkes Magnetfeld haben, das in Verbindung mit der Eigenrotation des Sterns einen Radiojet produziert. Wie der Lichtkegel eines Leuchtturms wird dieser Jet nur in eine bestimmte Richtung ausgesendet, wobei er mit dem Neutronenstern rotiert. Und wie beim Leuchtturm werden wir in festen Zeitabständen vom vorbeiziehenden Kegel des Radiojets getroffen, wenn die Erde zufällig in seiner Rotationsebene liegt. Dem entsprechend wird der vorüber ziehende Radiokegel in schöner Regelmäßigkeit als kurz aufflackernder Puls registriert.
Die beiden Pulsare im untersuchten Doppelsternsystem drehen sich 44 mal pro Sekunde bzw. alle 2,8 Sekunden um die eigene Achse; entsprechend häufig trifft der Radiojet die Erde. Aufgrund der sehr hohen Masse eines Neutronensterns und der Drehimpulserhaltung ist die Rotationsgeschwindigkeit und damit die Frequenz des detektierten Radiopulses normalerweise extrem konstant.
Das folgende, vom MPI erstellte, Youtube-Video illustriert das Verhalten der beiden Pulsare und ihrer Radiokegel:
Die beiden Neutronensterne haben jeweils eine Masse, die etwas größer ist als die Masse unserer Sonne; bei einem Durchmesser von knapp 25 km! Durch die extreme Massendichte und die Nähe der beiden Pulsare (sie umkreisen einander in nur 147 Minuten mit einer Geschwindigkeit von ca. 1 Million km/h, d.h. in etwas mehr als der Entfernung Erde/Mond) werden extremste Gravitationseffekte erzeugt. Die Gravitationsfelder sind so groß, dass erhebliche Unterschiede zwischen der Newton’schen Gravitationstheorie und der Einstein’schen Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) zutage treten.
Der Zufall will, dass nicht nur die Jets beider Pulsare die Erde treffen, sondern auch, dass die Erde (fast) in der Ebene der Kreisbahn der beiden Pulsare liegt. Mit einer ausgefeilten Detektionstechnik und der Zusammenarbeit mehrerer großer Radioteleskope weltweit konnten sieben verschiedene Vorhersagen der ART für ein solches Doppelsternsystem überprüft werden.
Liegen die beiden Pulsare zum Beispiel von der Erde aus betrachtet hintereinander, beschreibt der Radioimpuls des hinteren Pulsars einen gekrümmten Weg, wenn er den vorderen Pulsar passiert. Das ist derselbe Effekt, der 1921 im Rahmen einer Sonnenfinsternis bei der Passage des Lichts eines Sterns an der Sonne vorbei gemessen wurde. Die ART hatte dies – auch quantitativ – vorher gesagt; das Ergebnis war eine Sensation und hat der ART (und Einstein) zum Durchbruch verholfen. Aufgrund der Nähe der Pulsare zueinander ist der Effekt im untersuchten Doppelsternsystem aber wesentlich größer als bei der damaligen Messung. Die Krümmung des Radioimpulswegs ist so groß, dass die Frequenz des Pulses während ihrer Umkreisung messbar variiert. Auf der Seite des MPI kann man ein kurzes Video zur sog. Shapiro-Verzögerung bewundern.
Ein anderer Effekt der ART ist die langsame Drehung der elliptischen Bahnachsen eines Himmelskörpers bei Drehung um einen anderen (Periheldrehung). Am Merkur wurde dieser Effekt bereits Anfang des letzten Jahrhunderts in quantitativer Übereinstimmung mit der ART gemessen. Im Falle der Doppelpulsare ist er aber ca. 140.000 mal stärker – und mit der im Projekt des MPI verwendeten Technologie auch messbar!
Und auch der Einfluss der Gravitation auf den Verlauf der Zeit kann bei diesem Doppelpulsar gemessen werden. Denn die Frequenz der Radiopulse sollte eigentlich – wie bei jedem Pulsar – völlig unveränderlich sein. Wenn sich dagegen zwei Pulsare umkreisen, muss der Radioimpuls immer wieder Raumgebiete unterschiedlicher Gravitationsfelder durchqueren. Das beeinflusst gemäß ART unsere Wahrnehmung der Zeit im Doppelsternsystem, was sich in einer kleinen Unregelmäßigkeit der Pulsfrequenz bemerkbar macht (je höher die Gravitation, desto langsamer vergeht die Zeit; der Effekt wird übrigens auch bei GPS-Präzisionsmessungen berücksichtigt).
Alles einmalige Gegebenheiten, um die Vorhersagen der ART an diesem Doppelpulsarsystem mit extrem starken Gravitationskräften zu überprüfen. Das Ergebnis der 16 jährigen Messkampagne: die ART wurde mit einer Genauigkeit von 99,99 Prozent bestätigt!
Lieber Albert: wir gratulieren!