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DLR-ASTROSEMINAR 2009
21. April – 26. Mai 2009
jeweils dienstags 15:30 – 17:00 Uhr
im Casino des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz
jeweils dienstags 15:30 – 17:00 Uhr
im Casino des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz
»Rund um die Milchstraße«
[NASA / JPL-Caltech / R. Hurt (SSC), GLIMPSE] |
Programminhalt und Vortragsmoderation in Verantwortung von Dr. Manfred Gaida (Ruf: 0228 / 447-417) |
Di, 21. 4. 2009 | 1. Erforschung und Aufbau der galaktischen Struktur | Prof. Dr. Wilhelm Seggewiß, Sternwarte Hoher List |
Di, 28. 4. 2009 | 2. Unterwegs auf der Milchstraße – und die Kamera dabei |
Dipl.-Vw. Rainer Sparenberg und Dipl.-Phys. Peter Riepe, Vereinigung der Sternfreunde, Heppenheim |
Di, 5. 5. 2009 | 3. Die Milchstraße im radioastronomischen ‚Licht’ | Dr. habil. Jürgen Kerp, Argelander-Institut Bonn |
Di, 12. 5. 2009 | 4. Energiereiche Prozesse in der Galaxis | Prof. Dr. Günther Hasinger, MPE Garching |
Di, 19. 5. 2009 | 5. Das galaktische Zentrum – der Milchstraße ins ‚Herz’ geschaut |
Prof. Dr. Heino Falcke, Universität Nijmegen, NL |
Di, 26. 5. 2009 | 6. Galaktische Archäologie – dem Wandel der Milchstraße auf der Spur |
Prof. Dr. Eva Grebel, Universität Heidelberg |
Prof. Dr. Wilhelm Seggewiß, Sternwarte Hoher List
Dienstag, 21. April 2009, 15:30 – 17:00 Uhr
Für die alten Kulturen bezeichnete die Milchstraße den mythischen Weg aus den Mühen irdischen Lebens in das Jenseits vollkommenen Seins. In unserer heutigen Gesellschaft ist die Milchstraße verschwunden im Lichtermeer menschlicher Siedlungen und Aktivitäten und zumeist nur noch in ihrer neudeutschen Form als „Milky Way” oder „Galaxy”, sprich als Schokoriegel oder Automarke bekannt. Galileo Galilei konnte 1609 das weiß schimmernder Band schon bei ersten Blicken durch sein neues Himmelsteleskop in Myriaden von Sternen auflösen, und der Philosoph Immanuel Kant unterbreitete 1755 den Astronomen als Forschungsziel die Verifikation seiner Ideen, die Milchstraße sei ein Sternsystem unter vielen gleichartigen Welteninseln mit einer Scheibe aus Sonnen in riesiger Zahl, in deren Mittelebene unser Sonnensystem beheimatet sei und zudem sei alles in Rotation um einen fernen Mittelpunkt, und das ganze System werde umgeben von Irrsternen in wilden Bahnen um die allgemeine Beziehungsfläche.
Die nachfolgenden Generationen von Astronomen machten sich auf den Weg: Herschel, Argelander, von Seliger, Kapteyn, Shapley und viele andere. Ungeheure Mengen an Beobachtungsdaten wurden gesammelt, durchforstet, zu immer neuen Bildern des Milchstraßensystems zusammengesetzt. Aber die meisten Wege erwiesen sich als Irrwege, mußten Wege im Dunklen bleiben, bis Robert Trümpler 1930 den abschattenden Einfluss der Interstellaren Materie erkannte und Walter Baade zwanzig Jahre später zwei gänzlich unterschiedliche Populationen von Objekten in unserer und allen anderen Galaxien ans Licht brachte.
Aber die Interstellare Materie verdunkelte nicht nur durch ihren Staubanteil den ungehinderten Blick in die Ebene des Milchstraßensystems, sondern ihr Gasanteil, insbesondere der Wasserstoff – sei er nun kalt und neutral oder heiß und ionisiert – erlaubt das tiefe Durchdringen der galaktischen Scheibe. Allerdings erfolgte die Entdeckung ihrer Spiralstruktur und der zentralen Strahlungsquelle nicht durch das für unsere Augen sichtbare Licht, sondern durch die Radiostrahlung aus dem niederenergetischen Bereich des elektromagnetischen Spektrums.
Aber auch die anderen Spektralbereiche leisteten ihren Beitrag zur Erforschung galaktischer Geheimnisse: So enträtselte man dank der IR-Strahlung den Tanz junger Sterne um das Zentrum, und mit Hilfe der Röntgenstrahlung erkannte man eine Korona heißen Gases, in die das gesamte Milchstraßensystem eingebettet ist.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Wilhelm Seggewiß (Promotion Univ. Münster 1967, Habilitation Univ. Bonn 1977) war Leiter des Observatoriums Hoher List der Universitätssternwarte Bonn bei Daun in der Eifel. Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung massereicher Sterne und das Studium der Populationen in der Galaxis und den Nachbargalaxien. Mit Hilfe von Satellitenbeobachtungen konnten die Ultraviolettspektren heißer Sterne gedeutet werden. Beobachtungen mit dem HIPPARCOS-Satelliten konnten das kinematischen Verhalten dieser Sterne in unserer Galaxis aufklären. Überdies zählen auch Aspekte der Astronomiegeschichte (Astronomie im 15. und 16. Jh., Untersuchung historischer Himmelsgloben) zu seinen Arbeitsgebieten.
Dipl.-Vw. Rainer Sparenberg und Dipl.-Phys. Peter Riepe,
Vereinigung der Sternfreunde, Heppenheim Dienstag, 28. April 2009, 15:30 – 17:00 Uhr
Das schimmernde Band der Milchstraße gehört zu den eindrucksvollsten Erlebnissen, die der nächtliche Sternenhimmel bietet. Mit ihren zahllosen astronomischen Objekten bietet sie dem Amateurastronomen einen reichhaltigen Schatz an einzigartigen Beobachtungsmöglichkeiten und damit eine exzellente Möglichkeit, seinem Hobby nachzugehen.
Die beiden Referenten sind seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der Astrofotografie aktiv und haben an diversen Teleskopen sowie auf umfangreichen Expeditionen – bis in die namibische Savanne hinein – wertvolle Erfahrungen sammeln können. Sie werden in ihrem Vortrag zum einen über die enorme Fülle astrofotografischer Möglichkeiten und Techniken berichten, angefangen von einfachen Anwendungen bis hin zu semiprofessionellen Arbeiten, zum anderen beeindruckende eigene Ergebnisse von ihren weiten Reisen vorführen, auf denen sich die Struktur und Farbe der galaktischen Stern- und Gaswolken eindrucksvoll zeigt und zum Staunen einlädt. Ferner werden sie vorführen, wie man bereits mit Hilfe einer digitalen Spiegelreflexkamera und etwas Computertechnik eine Bewegungsanimation der Milchstraße anfertigen kann. Ein Highlight des Vortrags sind schließlich auch langbelichtete Aufnahmen, die mit einer astronomischen CCD-Kamera und einem langbrennweitigen Teleskop gewonnen wurden.
Zu den Referenten:
Rainer Sparenberg ist seit 25 Jahren beim Land Nordrhein-Westfalen als Diplom-Verwaltungswirt tätig. Seit 1986 beschäftigt er sich als Amateurastronom mit dem Schwerpunkt Astrofotografie. Auf zahlreichen astronomischen Exkursionen zum Gornergrat in den Schweizer Alpen, zum Pic du Midi in den Pyrenäen, nach Namibia und Chile war er jeweils mit den unterschiedlichsten Gerätekombinationen astrofotografisch unterwegs.
Peter Riepe ist Dipl.-Physiker und seit 1982 mit der Leitung der VdS-Fachgruppe Astrofotografie betraut. Seine astronomische Erfahrung erstreckt sich auf zahlreiche Exkursionen (u.a. Alpen, Südspanien, Namibia) sowie auf seine mittlerweile 8-jährige praktische Arbeit an der EXPO-Sternwarte in Melle-Oberholsten.
Dr. habil. Jürgen Kerp, Argelander-Institut Bonn
Dienstag, 5. Mai 2009
Die Strahlung des Zentrums der Milchstraße war das erste radioastronomische Signal, das die Menschheit empfangen hat. Seit den Pioniertagen von Karl Jansky und Grote Reber hat sich unser Wissen um die Entwicklung der Milchstraße und all der ihr zugehörigen Objekte dank der Radioastronomie gewaltig potenziert. Unbeeinflußt von der Verteilung von Staub und Gas gelangt die Radiostrahlung zur Erde. Hier wird mittels klassischen Radioteleskopen und den State-of-the-Art Softwareteleskopen die Strahlung aus dem Tiefen des Zentrums der Milchstraße oder die Strahlung des diffusen Gases in weit entfernten Halo der Milchstraße analysiert. Der Vortrag stellt die Möglichkeiten und Fähigkeiten der modernen Radioastronomie vor und eröffnet Einblicke in die zukünftigen Entwicklungen.
Zum Referenten:
Privatdozent Dr. Jürgen Kerp studierte von 1984 bis 1991 an der Universität Bonn Physik und Astronomie. Er promovierte von 1991 bis 1993 am Radioastronomischen Institut der Universität Bonn über vergleichenden Studien zwischen röntgen- und radioastronomischen Beobachtungen. Nach einer PostDoc-Zeit, unter anderem am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, wechselte er zu einer Unternehmensberatung mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in der Flugsicherung. Im Jahr 1998 bekam er die Möglichkeit, wieder Forschung zu betreiben und wechselte erneut an die Universität Bonn als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Im Jahr 2004 habilitierte er sich im Fach Astronomie. Im Jahr 2008 vertritt er den Lehrstuhl für Optische Astronomie am Argelander-Institut für Astronomie.
Prof. Dr. Günther Hasinger, MPE Garching
Dienstag, 12. Mai 2009, 15:30 – 17:00 Uhr
Im hochenergetischen Licht, im Röntgen- und Gammabereich, erscheint die Milchstraße in einem diffusen Leuchten, das den gesamten Himmel wie ein heißer Nebel überdeckt. Dabei handelt es sich einerseits um die heißen Gaswolken aus den Explosionswolken sterbender Sterne, bekannt als Supernova-Überreste, andererseits um die Strahlung hochenergetischer, beschleunigter Teilchen, die im galaktischen Magnetfeld und aufgrund der Wechselwirkung mit den Gaswolken der Milchstraße Energie verlieren. Im Herzen der Milchstraße gibt es faszinierende hochenergetische Prozesse, die von der Wirkung des massereichen Schwarzen Loches herrühren, welches im galaktischen Zentrum Sterne und Materiewolken um sich herum reißt und manchmal einen „Snack” davon verschluckt. Die alten, kompakten Reste ausgebrannter Sterne im Zentrum der Milchstraße erstrahlen ebenfalls im Röntgen- und Gammalicht, wenn sie z.B. als Partner in einem Doppelstern Materie anziehen und „aufsammeln” und dabei Annihilationsstrahlung erzeugen. In der Milchstraße ist deshalb buchstäblich „die Hölle los”.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Günther Hasinger ist weltweit einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Röntgenastronomie. Im Jahr 2002 gelang es ihm und seinem Team zum ersten Mal, in einer fernen Galaxie das bevorstehende Verschmelzen zweier supermassiver Schwarzer Löcher nachzuweisen. In den letzten Jahren hat sich Günther Hasinger mit der Erforschung des Röntgenhintergrunds beschäftigt. Seine Untersuchungen halfen nachzuweisen, daß diese diffuse Röntgenstrahlung unter anderem von unzähligen leuchtkräftigen Galaxien ausgesandt auf die Erde trifft. Seine Forschung zur Entstehung von Galaxien hat maßgeblich dazu beigetragen, daß massive Schwarze Löcher in den Galaxiezentren weniger als Produkt der Entwicklung von Galaxien, sondern vielmehr als Keime für deren Ursprung verstanden werden. Aktuell befaßt sich Günther Hasinger als Astrophysiker sowohl mit Untersuchungen aktiver Galaxienkerne als auch mit der Suche nach der so genannten ‚dunklen Materie’. In diesem Zusammenhang ist er mit der Entwicklung von Röntgenteleskopen befaßt, die als Satelliten unter anderem auch Fragen in Bezug auf die Verteilung von Materie und der frühen Entwicklung von Sternen und Galaxien beantworten sollen. Günther Hasinger studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München Physik und schloß dort 1984 seine Promotion in Astronomie ab. Nach seiner Habilitation 1995 trat er zunächst eine Professur an der Universität Potsdam an und war dort gleichzeitig Direktor des Astrophysikalischen Instituts. Im Jahr 2001 wurde er Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. Seit November 2008 ist er wissenschaftlicher Direktor des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, das sich der Fusionsforschung widmet.
Prof. Dr. Heino Falcke, Universität Nijmegen, NL
Dienstag, 19. Mai 2009, 15:30 – 17:00 Uhr
Als vor vierzig Jahren die geheimnisvollen Quasare in den Tiefen des Weltalls entdeckt wurden, war es eines der großen Rätsel, wie ein Objekt von der Größe eines Sonnensystems so viel Licht wie hundert Galaxien zusammen erzeugen kann. Schnell richtete sich der Verdacht auf das Wirken super-schwerer schwarzer Löcher. Der beste Nachweis, daß diese mysteriösen Objekte wirklich existieren, fand sich aber direkt vor unsere Haustür, im Zentrum unserer Milchstraße. Neue Beobachtungsergebnisse im Radio- und Infrarotbereich führen uns immer dichter an den Ereignishorizont dieses Objektes heran und viele Fragen darüber, wie ein schwarzes Loch funktioniert, können nun zumindest ansatzweise beantwortet werden. Der Vortrag stellt diese Fragen, die dazugehörigen Beobachtungen und astrophysikalischen Antworten allgemeinverständlich dar.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Heino Falcke studierte Physik und Astronomie an den Universitäten Köln und Bonn. Im Jahr 1994 promovierte er über das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße und anderen Galaxien an der Universität Bonn. Danach arbeitete er als Wissenschaftler in den USA mit dem Hubble Space Telescope und dem Very Large Array an der University of Maryland und dem Space-Telescope Science Institut in Baltimore. Im Jahre 1998 wurde er Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und habilitierte sich im Jahre 2001 zum Thema schwach-aktiver schwarzer Löcher. Seit 2003 arbeitet er in den Niederlanden an dem Radioteleskop-Projekt LOFAR und ist seit 2007 Professor für Astroteilchenphysik und Radioastronomie an der Radboud Universität in Nimwegen. Im Jahr 2000 erhielt er den Ludwig-Biermann-Preis der Astronomischen Gesellschaft, wurde im Jahr 2006 mit dem Akademie-Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet, und war Visiting Miller Professor an der Universität Berkeley.
Prof. Dr. Eva Grebel, Universität Heidelberg
Dienstag, 26. Mai 2009, 15:30 – 17:00 Uhr
Die Milchstraße ist unsere Heimatgalaxie. Dadurch, daß wir uns mitten in ihr befinden, können wir sie in größtmöglichem Detail erforschen. Unsere Vorzugsstellung gibt uns die einmalige Möglichkeit, die Entwicklungsgeschichte einer Galaxie anhand der noch vorhandenen „stellaren Fossilien” über Jahrmilliarden zurückzuverfolgen. Auch können wir so die Vorhersagen kosmologischer Modelle zur Galaxienentwicklung testen. Eine wichtige Vorhersage ist die sogenannte hierarchische Strukturbildung, also die Bildung großer Galaxien wie der Milchstraße durch das Verschmelzen zahlreicher kleinerer Objekte. In unserer Galaxis hat man in den letzten Jahren tatsächlich spektakuläre Hinweise auf solche Ereignisse gefunden, erkennbar durch gewaltige Ströme aus Material, welches aus kleineren Galaxien herausgerissen wurde. In ferner Zukunft – in einigen Milliarden Jahren – müssen wir dann schließlich selbst damit rechnen, einem solchen Verschmelzungsprozess zum Opfer zu fallen, wenn die Milchstraße und die nahe Andromedagalaxie aufeinander treffen.
Zur Referentin:
Prof. Dr. Eva K. Grebel ist seit 2007 ordentliche Professorin für Astronomie an der Universität Heidelberg und Direktorin am Astronomischen Rechen-Institut (ARI). Zuvor leitete sie das Astronomische Institut der Universität Basel (Schweiz), wo sie den Lehrstuhl für beobachtende Astronomie inne hatte. Ihre Hauptforschungsgebiete sind stellare Populationen sowie die Struktur und Entwicklung von Galaxien. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt hierbei in der Erforschung des häufigsten Galaxientyps, den Zwerggalaxien, als kosmologische Bausteine. Professor Grebel ist darüber hinaus Mitglied im Science Team des Gaia-Satelliten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Dieses Weltraumraumteleskop soll die Struktur und Geschichte unserer Milchstraße ab Ende 2011 detailliert erforschen. Das ARI ist federführend beim deutschen Beitrag zur Gaia-Mission.
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Programminhalt und Vortragsmoderation in Verantwortung von Dr. Manfred Gaida (Ruf: 0228 / 447-417)