Anfang des Jahres hatte es eine astronomische Nachricht mal wieder in die normale Presse geschafft: die Helligkeit von Beteigeuze (engl.: Betelgeuse), dem Schulterstern des Orion, nehme stark ab und der Stern stehe scheinbar kurz vor seinem Ende durch eine Supernova-Explosion. Abb. 1 zeigt Beteigeuze im Januar und Dezember 2019 im Vergleich, aufgenommen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte.
Beteigeuze ist ein roter Überriese (700facher Radius der Sonne!) und damit ein Stern, der sich in seiner letzten Lebensphase befindet – wobei diese nach menschlichen Maßstäben sehr lange andauern kann. Rote Überriesen weisen generell Schwankungen ihrer Helligkeit auf. Diese beruhen auf der inneren, zwiebelartigen Struktur solcher Sterne. Im Zentrum herrschen so hohe Temperaturen, dass entgegen der elektrischen Abstoßung selbst hochgeladene Atomkerne wie die von Silizium verschmelzen können (Siliziumkerne sind 14-fach positiv geladen). Weiter weg vom Kern des Sterns nehmen die Temperaturen ab und es können nur kleinere und weniger hoch geladene Atomkerne fusionieren. In den äußersten Schichten des roten Riesen sind die Temperaturen so weit abgesunken, dass „nur“ noch Helium- und Wasserstoffkerne fusionieren können – ein Prozess, mit dem derzeit unsere Sonne ihre Energie erzeugt und auch die nächsten 4 bis 5 Milliarden Jahre noch erzeugen wird (Abb. 2).
Durch die großen Temperaturunterschiede in den verschiedenen Schichten eines roten Überriesen kommt es zu Turbulenzen, die eine teilweise Durchmischung der Schichten bewirken (ähnlich wie heißes Wasser im Kochtopf von unten nach oben steigt und dadurch das Wasser umrührt). Auf diese Weise gelangen mal heißere, mal kühlere Gasmassen des Sterns an seine Oberfläche. Und da die Leuchtkraft eines Sterns von seiner Oberflächentemperatur abhängt, schwankt seine Helligkeit über die Zeit.
Bei Beteigeuze sind solche Schwankungen seit langer Zeit bekannt. Es sind sogar regelmäßige (periodische) Schwankungsanteile bekannt. Die drei wichtigsten Schwankungsperioden betragen ca. 5 Jahre, 420 Tage und 3 bis 6 Monate. Seit Ende 2019 zeigte sich aber, dass eine Abdunklung von Beteigeuze am Laufen war, die sich als ungewöhnlich stark erwies. Und da eine Abdunklung roter Überriesen ein Vorzeichen für ihre Explosion als Supernova ist, keimte die Hoffnung in der astronomischen Gemeinschaft, dass die Explosion unmittelbar bevorstehen könnte. Neben der spektakulären Tatsache, dass Beteigeuze dann für einige Wochen so hell wie der Vollmond leuchten könnte, hätte das eine unvergleichliche Gelegenheit geboten, die astrophysikalischen Vorstellungen über Supernovae in allen Einzelheiten zu prüfen – einer Supernova, die in unserer unmittlbaren galaktischen Nachbarschaft stattfinden würde.
Seit Ende Februar hat sich diese Hoffnung der Astronomen und Astrophysiker zerschlagen: Die Helligkeit von Beteigeuze steigt wieder an. Es hat sich also bestätigt, was schon gemutmaßt worden war: die drei Haupt-Schwankungsperioden liefen gleichzeitig „nach unten“, sodass sich ihre individuellen Anteile am Helligkeitsverlust addiert haben. Abb. 3 zeigt den Helligkeitsverlauf von Beteigeuze im Zeitraum von August 2019 bis Anfang März 2020, wie er von der American Association for Variable Star Observers (AAVSO) veröffentlicht wurde. Der Anstieg der Leuchtkraft ab Anfang Februar ist klar zu erkennen.
Kühlere Materie an der Oberfläche von Beteigeuze („Staub“) als Ursache für die Abdunklung wird auch durch die gemessene Wellenlängenabhängigkeit der Leuchtkraft plausibel gemacht. So war im Gegensatz zum Helligkeitsverlust im blauen Licht kaum eine Änderung im roten bzw. infraroten Bereich zu erkennen. Zudem sieht das Spektrum von Beteigeuze inzwischen wieder so aus wie vor der Helligkeitsabnahme, wobei es zwischenzeitlich deutliche Änderungen gegeben hatte. Ebenfalls von der AAVSO stammt Abb.4, in der das Spektrum des sichtbaren Lichts (Wellenlängenbereich von 4000 bis 7800 Angström bzw. 400 – 780 nm) gezeigt ist. Die Kurven vom 30.12.2019 (schwarz) und 03.03.2020 (orange) sind praktisch deckungsgleich, während die Intensität der Spektralkurven in der Zeit dazwischen im höheren Wellenlängenbereich deutlich erhöht ist.
Außerdem hat man für eine bevorstehende Supernova zu wenig schwerere Atomkerne im Spektrum des Sterns gefunden. Die Turbulenzen im Sterninneren hätten nämlich Silizium & Co vermehrt an die Oberfläche spülen müssen, wenn eine Supernova bevorstehen würde.
Aus diesen und anderen Messdaten nimmt man inzwischen an, dass es noch einige zehntausend oder gar hunderttausend Jahre dauern wird, bis es zur Supernova-Explosion kommen wird. Wie sagt es Josef M. Gassner in seinem sehr empfehlenswerten Video: Eine geplante Supernova-Party zu verschieben bringt nichts; es ist eher Absagen angesagt…
Quellen:
https://www.youtube.com/watch?v=wuYxxDsO58U (ein Update über Beteigeuze vom 13.03.2020 durch Josef M. Gassner)
https://www.aavso.org/betelgeuse (eine spezielle Seite über Beteigeuze der „American Association of Variable Star Observers, AAVSO“)